Neulich wurde ich gefragt: „Was war dein Berufswunsch als Kind? Was hast du denn damals in die Freundschaftsbücher deiner Freunde eingetragen?“
Zu meiner Zeit gab es noch keine vorgefertigten Freundschaftsbücher, nur Poesie Alben.
Aber wenn es sie gegeben hätte, dann hätte ich in jedem Album bei der Frage : „Was willst du einmal werden?“ etwas anderes hineingeschrieben.
Schriftstellerin
Schreiben steht bei mir, ich glaube seit Geburt, an erster Stelle.
Meine Mutter berichtet gern, dass ich, sobald ein Schreibwerkzeug greifbar war, geschrieben, gekritzelt, gezeichnet, gemalt und dann das Schreibgerät liebevoll in einer Schachtel aufbewahrt habe.
Die ersten Geschichten, die dabei herauskamen, sind leider verschollen.
Es gab eine Gruselgeschichte, die ich für meine Brüder geschrieben habe. Die sollten sich so richtig fürchten, wenn ich ihnen abends diese Story vorlesen würde.
Aber es kam nie dazu.
Die Horrorgeschichte wurde nie beendet. Es hat mich selbst zu sehr gegruselt.
Malerin
Malerin wollte ich auch unbedingt werden. Heute würde man es „Künstlerin“ nennen.
Gemalt habe ich mit allem, was zur Verfügung stand. Mit Kindertusche auf Papier und Pappkartons. Mit Filzer und Buntstiften auf Tapetenresten. Mit Steinen auf Gehwegplatten. Die Bilder waren meist abstrakt. Was ja in der Altersgruppe 3 – 30 völlig normal ist. Bei mir jedenfalls. Erst im zarten Alter von 30 habe „sehen“ gelernt.
Diverse Kurse in Aquarelltechnik und Malen mit Öl, Pastellkreiden und Buntstiften haben meine Kunst verändert. Auch meine Sicht auf manche Dinge.
Ein besonderes Bild habe ich lebhaft in Erinnerung.
Ich war ungefähr 14 Jahre alt und fand die Musik von Jimmy Hendrix absolut cool. Was ich an Jimmy Hendrix aber noch cooler fand, war seine Frisur.
Ein Poster – aus der Bravo natürlich – diente als Vorlage für ein Glasbild.
Auf einer Glasscheibe habe ich mit Plaka-Farben in rot und gelb in mehrere Schichten ein Bild entwickelt, auf das ich mega stolz war. Der Jimmy war als solcher zu erkennen und so habe ich mich getraut, dieses Bild meinen Freunden zu zeigen.
Das hätte ich lieber nicht tun sollen.
Nicht dass es ihnen nicht gefallen hätte. Nein, ich bekam sogar Lob und anerkennende Worte.
Allein die Dusseligkeit eines Freundes war das Aus für meine Karriere als Glasbildmalerin. Er setzte sich drauf. Der Rest ist Geschichte …
Schauspielerin
Mein Schauspieltalent wurde früh entdeckt. Mit 5 Jahren bekam ich eine Hauptrolle. In einer für die Kindergruppe wichtigen Aufführung. Es wurde die „Vogelhochzeit“ gegeben und ich durfte die Braut spielen. Herrje .. wie eingebildet ich daher stolzierte. Wie eine echte Diva. Die Rolle habe ich nur bekommen, weil ich behauptet habe, ich würde Ballettunterricht nehmen. Was natürlich nicht stimmte. Meine Hausschuhe waren ziemlich fest, so konnte ich damit auf den Zehenspitzen laufen und Pirouetten drehen. Das hat meine Behauptung wohl untermauert. Oder Tante Heidi, so hieß die Erzieherin, hat geschmunzelt und gedacht, nimm mal die kleine Göre, die nervt sonst nur …
Theateraufführungen in der Schule waren genau mein Ding. In einem der Aufführungen war ich Moderatorin und spielte nebenbei drei kleine Rollen. Der Hammer.
Nur die Lehrer haben nie verstanden, warum ich lediglich auf der Bühne meinen Mund aufmache und ohne Scheu reden konnte. Im Unterricht war meine mündliche Beteiligung eher leise und keiner Hauptrolle würdig.
Später, als ich längst erwachsen war, habe ich ein paar Schauspielkurse besucht. So ganz zu meinem eigenen Vergnügen.
Lehrerin
Zur Schule bin ich immer gern gegangen. Lernen und Freunde treffen, was konnte es besseres geben. Allein die Lehrkräfte waren in meiner Zeit oft noch vom alten Schlag. Um ein besseres Erziehungsergebnis zu erreichen gab es schon mal mit dem Lineal auf die Finger. Es sei angemerkt, ich selbst war ja immer brav. Meine Finger blieben verschont. Aber die Lehrmethode fand ich als Schülerin schon höchst bedenklich. Ich wollte es anders machen, wenn ich denn eines Tages das Lehramt übernehmen würde.
Geübt habe ich diesen Berufszweig jeden Tag. Ich war Lehrerin und gleichzeitig alle Schüler und Schülerinnen. Ich schrieb Hausaufgaben, Diktate und Mathearbeiten in selbstgebastelte Hefte und baute dabei diverse Fehler ein, damit ich sie, als Lehrerin, korrigieren und freundlich bewerten konnte. Meine Puppen und Stofftiere haben in dieser Phase eine Menge gelernt.
Erst auf dem Gymnasium wurde mir klar, dass die Berufung zur Lehrkraft für mich nicht wirklich erstrebenswert war. Diese Bande von pubertierenden Besserwissern und Störfaktoren, die wollten einfach nichts lernen … ich gehörte dazu.
Ich weiß immer noch gern alles besser. Und so coache ich Kinder, Pubertiere, Liebeskummerkranke und Menschen, die mit Fragen oder Sorgen zu mir kommen.
Fotografin
Irgendwann Anfang der 1970er kaufte sich mein Vater eine Spiegelreflexkamera. Er baute sich im Schuppen eine Dunkelkammer und versuchte sich als Fotograf und Laborant. Das fand ich spannend.
Er kaufte auch Bücher über Fotografie, die ich neugierig verschlang. Meine Fantasie ging mit jedem Foto auf Reisen. Durch die Weltgeschichte gondeln und Fotos machen, die auf ewig eine bestimmte Sicht auf die Welt festhielten. Das wollte ich auch.
Nun gehörte mein Vater nicht zu den Menschen, die einem Kind geduldig die Materie der Fotografie beibringen konnte. Er wusste ja selbst noch gar nicht wie das funktionierte. Die Kamera durfte ich nicht bedienen – zu teuer. Eine Filmrolle verdaddeln auch nicht – zu teuer. Und im Labor helfen – auf keinen Fall – zu gefährlich. Und so verlor ich bald den Spaß daran.
Das Universum vergisst nicht, stimmt´s?
Ich lernte meinen Ex – Mann kennen und was war der von Beruf? Fotokaufmann und Fotograf. Und wenn du jetzt denkst, der hätte mir die Kunst der Fotografie beibringen können, dann denkste Puppe. Der konnte ebenso wenig gut etwas erklären, wie mein Vater. Aber was der konnte, der konnte mich von heute auf morgen in seinen Laden stellen und sagen: „Du machst das schon. Denke immer dran: Sonne lacht – Blende acht“. Und weg war er.
Und so geschah es. Ich fotografierte Hochzeiten, Konfirmationen, Portraits und was sonst noch gefragt wurde, ohne auch nur eine Ahnung davon zu haben, wie ich diese verdammten Blenden verwenden sollte. Dennoch wurden die Fotos gut bis richtig super gut.
FunFact: Ich weiß bis heute nicht, wie eine Spiegelreflexkamera funktioniert.
Friseurin
Frisuren sind faszinierend. Für mich jedenfalls.
Als kleines Mädchen hatte ich lange, dicke und widerspenstige Locken, die Mutti täglich zu Zöpfen flocht. Sie mochte das. Gefühlt stundenlang durch mein Haar bürsten und Zöpfe flechten. Ich hasste es. Dieses Geziepe beim Auskämmen war eine Tortour und die stramme Kopfhaut spüre ich heute noch, sobald ich mich daran erinnere. Irgendwann, ich glaube ich war 5 Jahre alt, hatte meine Mutter ein Erbarmen und erhörte mein Flehen, man möge mir diese blöden Haare endlich abschneiden. Seit dem trage ich sie hauptsächlich kurz. Mit kleinen Ausnahmen. (Siehe Punkt 26 in meinen FunFacts ).
Klar habe ich mich als Puppenfriseurin betätigt. Du nicht? Schade nur, das die Haare nicht nachwuchsen.
Nicht nur meine Puppen bekamen meine Friseurambitionen zu spüren. Später mussten meine Söhne herhalten. Meine liebe Mutter schenkte mir ein Profi-Friseur-Haarschneide-Set mit einer Profi-Schere und einem Profi-Kamm 😁. Hey – das hat Spaß gemacht und die Jungs sahen auch gut aus. Ich muss hinzufügen, die waren noch in einem Alter, wo sie mir nicht widersprechen konnten. Der Widerspruch bzw. die Weigerung kam erst später, als ich eine Haarschneidemaschine erwarb. Zugegeben, dieses Experiment ging etwas daneben. Der Große setzte lieber sein Taschengeld für einen Friseurbesuch ein anstatt sich weiter von mir frisieren zu lassen und der Kleine wollte partout nicht mehr mit Mütze zur Schule.
Feiglinge! 😂
Einwohneramtsmitarbeiterin
1967 war es üblich, dass Kinder, wenn sie das 10. Lebensjahr erreicht hatten, einen Kinderausweis bekamen. Und so wackelte mein Vater mit mir ins Einwohneramt. Damals konnte man dort noch ohne Termin auflaufen. Die Wartezeit betrug nicht acht Monate sondern höchstens eine halbe Stunde. Ach, das waren noch Zeiten 😁
Also – wir warteten in einem mit braunen Linoleum ausgelegten Flur. Ich erinnere mich sogar noch an den Geruch. Es roch nach Bohnerwachs und irgendwie nach Turnhalle. Dann waren wir dran.
Hinter einem Schreibtisch saß ein freundlicher Herr, der uns begrüßte und Späße machte. Und das dollste daran war nicht seine Fröhlichkeit, sondern, dass er wusste, wie wir hießen! Das hat mich beeindruckt. Das wollte ich auch machen! Ich wollte in einem Einwohneramt arbeiten, wissen wie alle heißen, Späße machen und fröhliche Kinderausweise ausstellen.
… und was bin ich heute?
Nach vielen fröhlichen Berufsjahren in einem Einwohneramt bin ich heute Pensionärin.
Ich bin aber auch Autorin und Künstlerin. Ich schreibe einen Kinderroman, der mich zurzeit – ich bin in der Überarbeitungsphase – mega gruselt. Und ich male und zeichne, wann immer ich Zeit und/oder Zettel und Stift finde.
Obwohl ich keine Ausbildung zum Coach habe, begleite ich Menschen mit Rat und gebe Inspiration rund um das Thema Persönlichkeitsentwicklung, Entspannung und zu sich selber finden.
Ich lehre als Neurographic Spezialistin die Kunst der Achtsamkeit durch NeurographicArt.
Ich werde gebucht, um Boote zu taufen. Die Taufreden schreibe ich selbst. Sie sind gespickt mit besonderen Inhalten und häufig enden sie als eine Art Theateraufführung.
Fotografieren tue ich immer noch gern. Aber nur privat. Zum Glück gibt es I-Phones. Das nimmt lästige Einstellungen ab. Hier hab ich übrigens eine super Adresse, wo du lernen kannst, mit dem I-Phone professionelle Bilder zu machen.
Meine Friseurkarriere hatte nach der Weigerung der Kids ein jähes Ende. Meine Haare schneidet ein Profi. Danach können sie friedlich und wild um meine Kopfhaut wehen. Oder nach allen Seiten abstehen, je nach Länge.
Fazit
Zu Beginn des Artikels hatte ich keine Ahnung, dass er so lang werden würde. Und ich bin erstaunt darüber, dass ich tatsächlich alles geworden bin, was ich als Kind werden wollte.
Aber vor allem bin ich Lernende geworden.
„Kontinuierliche Verbesserung ist besser als verzögerte Perfektion.“ Soll Mark Twain gesagt haben.
Mit diesen Worten schließe ich die Runde und sage:
Danke, dass du bis hier gelesen hast.
Es war mir ein Vergnügen für dich zu schreiben.
Bis bald und bleib anders,
deine Tilly
PS: Und was wollte ich auf keinen Fall, nie und nimmer werden?
- Polizistin
- Landwirtin
- Krankenschwester
- Astronautin
2 Antworten
Liebe Tilly,
wir teilen die gleiche Leidenschaft fürs Schreiben. Dei Artikel war wirklich kurzweilig zu lesen und ich habe direkt die Tipps für bessere Fotos angefordert. Meiner Meinung nach sieht mein Hund auf Fotos immer besser aus als ich!
Bis zum nächsten Co-Bloggen bei Judith!
Liebe Grüße
Kerstin
So im Nachhinein finde ich den Artikel doch nicht ganz so schlimm.