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Türchen

Inhalt heute:

Collins Kleine Katastrophen

Collin Sommer (fast 12), jüngster Spross von vier Geschwistern, hat ein Problem. Sein Leben scheint aus Missverständnissen und kleinen Katastrophen zu bestehen. Denn egal, was er erzählt, es klingt eher fantasievoll als glaubhaft. Und egal, aus welchen Motiven er handelt, häufig endet das, was er tut, in einem Desaster. 

Aber lest selbst …  

 

Nikolaus Dilemma

„Cooolliiinnnn ….“ Mom rief in diesem Tonfall, der nichts Gutes verhieß. 

Collin ließ augenblicklich den Stift fallen und schlich zum Treppenabsatz. Sie stand am Fuß der Treppe und hielt einen Schuh in der Hand. „Komm runter, aber zackig.“ 

Collin wusste genau, was seine Mutter von ihm wollte. Mit einem Augenaufschlag, der eines Hundewelpen würdig war, schlich er die Treppe herunter.

„Was ist los, Mom?“ Lieber erst einmal so tun, als hätte man keine Ahnung.

„Du hattest einen Auftrag, Kind.“ 

Collin legte den Kopf schief und verzog das Gesicht.

„Hä? Was denn für einen Auftrag?“ Nicht anmerken lassen, dass man im Bilde ist. Collin war darin Meister.

Mom drückte ihm den Schuh in die Hand.

„Ich kenne dich, Collin Sommer. Seh zu, dass du den Flur aufräumst. Morgen ist Nikolaus. In welchen der tausend Familienlatschen soll der Nikolaus sonst seine Geschenke verteilen? Abmarsch!“ Sie wuselte durch sein Haar und drehte sich kopfschüttelnd um. 

„Hej, meine Frisur!“ Warum musste sie immer seine Frisur ruinieren?

Die Aufgaben in der Familie Sommer waren auf alle Familienmitglieder verteilt. Aber nicht gerecht, wie Collin fand. Seine Aufgabe bestand darin, den Biomüll auf den Kompost zu bringen – ekelig. Und im Eingangsbereich hatte er für Ordnung zu sorgen. Das bedeutete, alles, was dort im Weg stand, an seinen Platz zu bringen. Auch die stinkenden Turnschuhe seiner großen Brüder. 

„Warum immer ich?“, jammerte er, während er die Kammer öffnete, in der die Garderobe und ein Regal für Schuhe untergebracht war. Er nahm die Sneakers seiner Brüder und pfefferte jeden einzelnen mit Schwung in die Kammer. Collin grinste bei dem Gedanken, dass die Zwillinge etwas länger nach ihren Tretern suchen mussten. Selber Schuld, sie hätten die ja gleich wegstellen können. 

Die Fell-Boots von Charleen, die alle nur Charly nannten, stellte er allerdings sehr vorsichtig ins Regal. Seine Schwester liebte diese braunen Felldinger, die an ihren Füßen aussahen, wie zu groß geratene Hausschuhe. Er freute sich schon darauf, ihr sein Nikolausgeschenk in eben diese Stiefel zu packen. 

Für seine Brüder hatte er nichts. Aber für Charly hatte er von seinem Taschengeld einen Knick-Knack-Gel-Handwärmer gekauft. Weil sie immer so schnell kalte Hände bekam. Er freute sich auf das Gesicht seiner Schwester. Er stellte sich vor, wie sie lächeln würde, wenn sie sein Geschenk fand. Wie sie ihn in den Arm nehmen und ihn den besten kleinen Bruder der Welt nennen würde.

„Was grinst du so dämlich, Flitzpiepe?“ Tom drückte ihn beiseite und griff nach seiner Jacke. „Wo sind meine Schuhe?“

Lieber die Flucht ergreifen. Collin lachte, rannte die Treppe hoch und schloss sich in sein Zimmer ein.

Obwohl die Sommer Kinder schon alt genug waren, um nicht mehr an den Nikolaus zu glauben, wurde der Nikolaustag, wie in jedem Jahr, auf die gleiche Weise zelebriert. Schuhe nach draußen vor die Tür stellen, klar. Erst nach dem Aufstehen wurde gemeinsam nachgesehen, was der gute Mann für brave Kinder vorgesehen hatte. Wie immer würde der Nikolaus neben Süßigkeiten auch sinnvolle und pädagogisch wertvolle kleine Geschenke in die Schuhe verteilen.

Mitten in der Nacht schlich Collin die Treppe hinunter und öffnete leise die Haustür. Er war jetzt Nikolaus und hatte eine brave Schwester zu beschenken. 

Der echte Nikolaus hatte bereits seine Arbeit erledigt. Die Schuhe waren voll. 

Collin legte den Handwärmer für Charly vorsichtig oben auf den Fellstiefel. Gerade, als er wieder in die warme Bude schleichen wollte, rutschte sein Geschenk wie in Zeitlupe herunter. Er legte es wieder oben auf – es rutschte runter. Egal, was Collin versuchte, das Ding blieb nicht liegen. Der Stiefel war eindeutig zu voll. Bei dem anderen Stiefel war es nicht besser. Collin überlegte kurz, ob er das Marzipanbrot, welches herausragte, in seinen Schuh verlegen sollte. Entschied sich aber dagegen. 

Es war kalt hier draußen, so im Pyjama. Er nahm den Handwärmer aus der Verpackung. Jetzt war das Geschenk kleiner und passte besser zwischen die Sachen. Dann nahm er das Marzipanbrot heraus und stopfte das Gelkissen, das mit einem Pinguin bedruckt war, schnell in die Lücke. Noch etwas mit dem Marzipanklumpen nachstochern. Marzipanbrot wieder rein in den Stiefel, kurz festklopfen. Fertig. 

Zufrieden mit sich und der Welt huschte Collin in sein warmes Bett. Er freute sich auf den Morgen.

Schon früh war Collin aufgestanden. Er konnte es nicht abwarten, seine Nikolaus Überraschung zu bergen. Und natürlich konnte er es nicht abwarten, die Freude seiner Schwester zu sehen. 

Gemeinsam ging es vor die Tür. Collin rannte vorweg. Tom und Nick schlurften hinterdrein, Charly verdrehte die Augen und schritt langsam hinterher. Sie fühlte sich eindeutig zu alt für so einen Quatsch. 

Collin plünderte seinen gefüllten Schuh auf der Stelle. Sein kleines Geschenk, ein Notizbüchlein mit dem „Unglaublichen Hulk“ vorn drauf, war jetzt nicht das, was er sich gewünscht hatte … aber es war okay. Sein Blick fiel auf Charly, die mit dem Handy am Ohr im Türrahmen lehnte und telefonierte. Sie machte keine Anstalten in ihre Stiefel zu schauen.

„Pack deinen Stiefel aus.“ Collin hielt ihr den Boot mit seinem Geschenk hin.

Ohne ihr Telefonat zu unterbrechen, griff sie lustlos in den Stiefel und erstarrte. Irritiert zog sie ihre Hand aus dem Schuhwerk. An ihren Fingern hing ein starrer Klumpen aus scheinbar zusammengeschmolzenen Schokobonbons, Marzipan, Keksen und einer Lippenstiftverpackung, an deren scharfkantigem Karton ein labbriger Plastikpinguin hing. Sie starrte auf Collin … Collin starrte auf den Pinguin.

Dieses Nikolaus Dilemma würde Collin verfolgen bis an das Ende seines Lebens. Da war er ganz sicher. 

Nicht nur die Leckereien waren hinüber. Auch die Stiefel waren nicht mehr zu gebrauchen. Das ausgelaufene Gel hatte das Fell darin hart wie ein Brett werden lassen. 

Er hatte es nur gut gemeint. „Ach, Undank ist der Weltenlohn“, dachte er. Eines Tages, wenn Charly wieder mit ihm sprach, würde sie erkennen, dass es nur aus Liebe geschah. 

Morgen wird es farbig!

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