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Türchen

Inhalt heute:

Collins Kleine Katastrophen

Collin Sommer (fast 12), jüngster Spross von vier Geschwistern, hat ein Problem. Sein Leben scheint aus Missverständnissen und kleinen Katastrophen zu bestehen. Denn egal, was er erzählt, es klingt eher fantasievoll als glaubhaft. Und egal, aus welchen Motiven er handelt, häufig endet das, was er tut, in einem Desaster.

Aber lies selbst … 

Heute gibt es einen Leckerbissen, der in meinem Buch auftauchen wird.
Es ist nur ein Auszug aus einem Kapitel. Aber ich mag die Geschichte und möchte sie euch erzählen, weil ich weiß, wie neugierig ihr auf Collins Abenteuer seid.

Mina

Collin stand an der hüfthohen Buchsbaumhecke, die den Garten zum Nachbarhaus begrenzte. Er hatte beide Hände in den Hosentaschen und schaute zu dem Mädchen hinüber, das in Professor Beckers Garten hockte. Sie saß im Schneidersitz auf dem Rasen und hatte einen Laptop auf den Knien. 

„Hi“, sagte er mutig. „Was machst du?“ 
 „Wonach sieht es aus?“, antwortete das Mädchen, ohne vom Klapprechner aufzusehen.
„Spielst du dieses Spiel?“ 
 „Welches Spiel?“ 
„Das was jetzt alle spielen. Es heißt ….?.“
„Meinst du dieses Ballerspiel?“ 
„Nein. Ich meine das, wo man suchen muss und wo man … doch, ja, doch, Du hast recht, es wird auch geballert!“ 
„Das spielen doch nur Idioten. Ich hab keine Zeit dafür.“ Sie hackte weiter in ihre Tastatur, ohne ihn anzusehen. 

Collin kam sich blöd vor. Er hätte jetzt gern diesem blassen Mädchen mit dem Pferdeschwanz den Rücken gekehrt, aber dann käme er sich noch blöder vor. Ein Mal versuche ich es noch, dachte er. 

„Und was machst du dann mit dem Laptop?“ Noch dämlichere Frage. Warum rutschten ausgerechnet ihm immer solche blöden Fragen aus dem Mund? Collin wäre am liebsten im Erdboden versunken. Peinlich. Aber anstatt ihn für diese doofe Frage auszulachen sagte sie: „Ich suche nach etwas.“ 

Froh darüber, dass das Mädchen ihn nicht gleich als Super – Dumpfbacke geoutet hatte, versuchte er die Unterhaltung in eine andere Richtung zu lenken.

„Nach was suchst du denn?“ Collin Sommer, du Blödmann. Diese Frage war ja mega intelligent, schallt er sich innerlich. ‚Na ja, egal. Dann hält sie mich eben für dämlich‘, dachte Collin. Er wollte sich gerade umdrehen und verschwinden, als sie den Kopf hob und ihn aus haselnussbraunen Augen ansah.

„Kennst du dich mit Quantenphysik aus?“, fragte sie. Sie verzog dabei einen Mundwinkel so schief, dass ihre Stupsnase sich rümpfte. 

„Was?“ Die Frage war nicht bis zu seinem Gehirn vorgedrungen, so fasziniert war er davon, dass jemand sein Gesicht derart verziehen konnte ohne Schaden zu nehmen.

„Quantenphysik“, antwortete sie. „Ich muss ein paar Infos finden. Mein Opa ist ein bisschen wortkarg, weißt du. Er unterhält sich am liebsten über kleine Teilchen und Magnetismus.“ 

„Keine Ahnung. Was soll das sein, Quantenphysik?“, fragte er. 

„Irgendwas mit Elektronen und Photonen und son Zeugs“, antwortete sie. „Aber Opa hat kein Internetzugang und meine Einheiten sind gleich verbraucht. Habt ihr WLan?“

Collin nickte.

„Meinst du, ich darf für die Recherche euer Netz benutzen?“, fragte sie und sah ihn hoffnungsvoll an.

‚Die Gelegenheit!‘, dachte Collin und grinste. Jetzt konnte er Mom zeigen, dass Kinder nicht nur dummes Zeugs im Internet anstellen.

„Klar“, antwortete er.
„Cool.“ Sie klappte den Laptop zu und stand auf.

Sein Hund war inzwischen zu ihm gelaufen und bellte. Das Mädchen  kam zur Hecke. Sie zeigte auf den Hund.
„Opa macht grad ein Nickerchen. Beisst dein Hund?“
„Nein, der gibt nur an.“ Collin lächelte. Stolz kraulte er den Terrier hinterm Ohr. 
„Aus, Jack!“, befahl er dem Hund. „Wir wollen doch nicht den Professor wecken.“

Der Hund war augenblicklich still. Schwanzwedelnd sah er Collin erwartungsvoll an.
„Jack, das ist .. wie heißt du eigentlich?“, fragte er das Mädchen.
„Ich heiße Mina“, sagte sie. Ihr Lächeln war breit und, wie Collin fand, unheimlich sympathisch.
„Ich bin Collin.“ Er wurde ein wenig rot und sagte verlegen: „Komm doch rüber. Dann kannst du meine Mutter selber nach dem Passwort fragen.“

Im Baumhaus

„Auf einer Skala  von eins bis zehn, wie doll fürchtest du dich vor Spinnen?“ 
Mina hielt eine Faust in Richtung Collin und grinste. Aus der Faust ragte ein schwarzes dünnes Spinnenbein. 

„Arrgh“, Collin zuckte reflexartig zurück und verzog das Gesicht. „Äähh ..so bei drei.“ 

Er starrte auf das Spinnenbein. „Echt jetzt? Du hast eine Spinne in der Hand? Hau ab damit, die sind ekelig.“ 
„Buh!“ Mina kicherte und öffnete die Faust. Darin lag ein zusammengerollter Bindfaden. 

„Du bist verrückt.“ Collin lachte und war froh, dass Mina keine echte Spinne in der Hand hielt. Sie wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf die Idee gekommen und hätte ihn aufgefordert, das Vieh anzufassen. Spätestens dann hätte er zugeben müssen, dass seine Angst vor den achtbeinern bei neun Komma acht lag.

Sie hatten sich in Collins Baumhöhle gesetzt. Hier war es schattig. 

Die Baumhöhle war ursprünglich ein Kinderspielhaus, in dem seine große Schwester schon gespielt hatte. Ein Trieb der Buchenhecke, die den Komposthaufen und den Schuppen eingrenzte, war an einer Wand des kleinen Hauses festgewachsen. Er hatte sich im Laufe der Jahre zu einem Baum entwickelt, ohne das Häuschen loszulassen. Es sah aus, als ob die kleine Hütte, die sogar eine Tür mit Schloss hatte, aus dem Baum gewachsen war. Die Kinder hatten es ihre Baumhöhle genannt. Charly und die Zwillinge waren längst aus der Höhle herausgewachsen. Collin und sein Freund Moritz, der in der Villa gegenüber wohnte, hatten sie in „Hauptquartier der Geisterjäger“ umgetauft. Der Schlüssel zur Hütte hing an einem Nagel unter dem vorstehenden Dach, verdeckt von einem Vogelkasten, der nicht mehr bewohnt war. 

Mina hatte ihren Laptop auf einem wackeligen Tischchen abgestellt. Sie suchte nach Informationen zu Quantenphysik. 

„Danke nochmal, das ich euer WLan nutzen darf“, sagte sie. 

Collin hoffte insgeheim, er könne sie überreden, das Game hochzuladen. 

Dass seine Mutter so bereitwillig den Code herausgegeben hatte, hatte ihn selbst gewundert. Mom war mit Kofferpacken beschäftigt gewesen. Das hatte die Sache vermutlich vereinfacht.

„Das soll einer verstehen“, sagte Mina und schüttelte den Kopf. „Gibt es denn nirgendwo Erklärungen, die auch Kinder begreifen?“ 

„Gibt es kein anderes Thema über das du dich mit deinem Opa unterhalten kannst?“, fragte Collin.

„Es ist nicht einfach“, antwortete Mina und suchte weiter fieberhaft nach einem Video.

„Das kann ich mir gut vorstellen“, sagte Collin „Dein Opa ist ja auch irgendwie merkwürdig.“

Mina sah kurz hoch.
„ Wieso merkwürdig?“

„Er ist immer so schnell genervt, weißt du. Manchmal fliegt ein Ball übern Zaun. Dann kann er den doch wieder rausrücken. Aber nein. Er hat wahrscheinlich hundert Bälle von mir in seinem Schuppen. Da solltest du mal reinschauen.“

 Collin erwartete Zustimmung.

„Echt?“, fragte Mina, ohne wirkliches Interesse. 

Schwungvoll klickte sie die Entertaste bei einem Artikel mit dem Titel theoretische Erforschung komplexer Quantensysteme.

„Ja. Manchmal steige ich durch die Hecke und hole den Ball wieder, bevor dein Opa was bemerkt. Einmal hat er mich erwischt und ist rausgekommen. Jack ist ihm dann leider zwischen die Füße gerannt. Das war blöd. Da ist dein Opa gestolpert und gefallen.“ 

Mina sah nun doch gespannt hoch. „Schlimm?“

„Keine Ahnung“, antwortete Collin. „Ich bin abgehauen und Jack konnte auch flüchten.“

„Du hast ihm nicht geholfen?“ Mina war entsetzt „Hast du wenigstens Ärger bekommen?“

„Und ob. Zur Strafe durfte nicht mit auf Klettertour.“ Collin kickte ein Steinchen weg.

„Warum hast du dich nicht entschuldigt bei ihm?“, fragte Mina.

„Ich hab Angst vor deinem Opa!“ Collin riss die Augen auf und starrte Mina an, als ob sie von ihm verlangt hätte in einen rohen Fisch zu beißen.

„Angst? Vor Opa?“ Mina starrte zurück.

„Ja hast du ihn dir mal genau angeschaut? Es kucken Haare aus seiner Nase und seine Augen sind so klein und schießen Blitze. Er kann einen in Stein verwandeln. Ich wette, er isst Kinder zum Frühstück!“

Mina trat Collin leicht gegen das Schienbein.

„Du Spinner.“ Sie lachte. „Opa verwandelt Kinder doch nicht in Steine. Höchstens  in Kröten.“

Jetzt schmunzelte Collin selbst. Er genoss es, sich mit ihr zu unterhalten. Sie nahm ihn ernst und wenn sie lachte, dann kribbelte es in seinem Bauch.

Wie Collin es schafft, sich auch bei Mina unbeliebt zu machen, erfährst du in meinem Buch. Sei gespannt.

Morgen zeige ich dir neue Wege 🛵

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