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Türchen

Inhalt heute:

Collins Kleine Katastrophen

Collin Sommer (fast 12), jüngster Spross von vier Geschwistern, hat ein Problem. Sein Leben scheint aus Missverständnissen und kleinen Katastrophen zu bestehen. Denn egal, was er erzählt, es klingt eher fantasievoll als glaubhaft. Und egal, aus welchen Motiven er handelt, häufig endet das, was er tut, in einem Desaster.

Aber lies selbst … 

Tierliebe

„Hey Flitzpiepe!“ Tom schmiss seine Lederjacke über die Sofalehne. 
„Was hängen denn da für Würstchen an deinen Schultern?“ Er lachte über seinen eigenen Witz. „Sag bloß, das sollen Arme sein?“

Collin stand mit ausgestreckten Gliedmaßen mitten im Wohnzimmer. In jeder Hand hatte er eine mit Wasser gefüllte Flasche. Abwechselnd beugte er seine Arme und zog die Flaschen an die Schulter. 

„Blödmann!“, konterte Collin. Er versuchte seinen Bruder nicht zu beachten.

„Keine Muskeln und kaum Hirn. Flitzpiepe, was soll nur aus dir werden? Kuck mal, so sehen Muskeln aus!“
Tom baute sich vor Collin auf und spannte seinen Bizeps. Collin sah nicht hin. Er beugte erneut die Arme. 

„Na, lass gut sein, Kleiner. Das wird eh nix. Du wirst immer Opfer bleiben.“ Tom lachte und klappste seinem Bruder mit der flachen Hand an den Hinterkopf. Dann fuhr er sich wichtigtuerisch durchs Haar und verschwand die Treppe hoch.

‚Angeber‘, dachte Collin. ‚Seit du diesen Modeljob hattest, bist du noch eingebildeter.‘

Tom hatte für eine Kaufhauskette Modell für Kinder- und Jugendmoden gestanden. Seitdem war für Tom klar: es kommt nur eine Karriere als Model oder Playboy in Frage. Er war zwar nur zweimal in dem Katalog zu finden und es hatte keine weiteren Fotos gegeben, aber diese beiden Katalogfotos hatte er ausgeschnitten und an seinen Spiegel geklebt. Lederjacke, Jeans, Marken T-Shirt und eine wahnsinnig coole Frisur. Tom fand sich unbeschreiblich lässig in dieser schwarzen Jacke. Nach dem Fotoshooting durfte er die Jacke behalten. Er trug sie seitdem fast täglich.
Collin fand das alles lächerlich.

Klar, er hätte gern mehr Muskeln. Er fand alles an sich zu dünn. Seine Beine waren zu dünn, seine Arme waren zu dünn, nur seine hellbraunen Haare waren zu dick und standen wie ein geplatztes Sofakissen in alle Himmelsrichtungen. Man brauchte viel Haarspray, um diese Matte zu einer einigermaßen anständigen Frisur zu formen. Verdammt viel Haarspray. Zum Glück hatte seine Schwester ein ähnliches Problem mit ihrem Haar. So gab es immer genügend Klebstoff in Sprühdosen. 

Collin streckte gerade die Arme nach vorn und überlegte, welchen Muskel er anschließend trainieren könnte, als auf der Straße Reifen quietschten. 

Er stutzte. Quietschende Reifen? Hier in dieser Sackgasse, wo nie etwas los war? Sein Reporterherz horchte auf. Er lief in die Küche und sah nach draußen.
Es war nichts zu sehen.

Enttäuscht nahm er sein Hanteltraining wieder auf. 

Keine fünf Minuten später polterte Moritz Habermann in die Küche. Er war außer Atem und völlig aufgeregt.

„Coll, da liegt ein Igel auf der Straße!“, japste er.
„Was denn für ein Igel?“
„Oh Mann, Collin. Ein Igel. Überfahren oder so.“
„Ist er tot?“
„Keine Ahnung, Mann. Komm, das musst du dir ansehen. Du hast doch immer Ideen. Erste Hilfe oder so.“

Collin knallte die Flaschen auf den Küchentisch und folgte seinem Freund, der bereits Richtung Haustür unterwegs war.

Auf der Straße lag ein Igel und rührte sich nicht. Die Jungen beugten sich zu dem Tier hinunter.
„Lebt er noch?“
Collin stupste den kleinen Igelkopf mit dem Zeigefinger. 
„Ich glaub, der lebt noch. Er hat die Augen auf.“
„Was machen wir denn jetzt mit ihm?“, fragte Moritz.
„Den bringen wir zu Doktor Hoffmann. Der ist Tierarzt. Ist nicht weit“, antwortete Collin. 
„Wie sollen wir das machen? Du kannst den Igel nicht so einfach anfassen. Der blutet.“
„Ich hab eine Idee.“ Collin nickte sich selbst zu. „Du holst die Räder, ich packe das arme Tier ein.“

Am Abendbrottisch war es verdächtig ruhig. Collin hatte keinen Appetit. Er sprach nicht, was seine Mutter beunruhigte.
„Was ist los, Collin? Gab es wieder Ärger, von dem ich vielleicht wissen sollte?“
Collin schüttelte den Kopf. Was sollte diese Frage schon wieder? Wieso muss es immer Ärger geben, wenn er einfach nur nicht in Stimmung war zu reden?
„Nee, Mom … alles gut.“ Er schnipste einen Krümel vom Tisch und stützte seinen Kopf in die Hand.
Nun wäre Mom aber nicht Mom, wenn sie nicht nachhaken würde.
„Ich sehe doch, dass dich etwas bedrückt. Lass es raus.“
Collin holte tief Luft.
„Der Igel ist tot.“

Jetzt hatte er die volle Aufmerksamkeit der gesamten Familie. Alle Blicke ruhten auf ihm.
„Was für’n Igel?“, fragte Tom. Er tippte sich an die Stirn. „Hast du wieder einen Fantasie-Schub?“ Tom und Nick kicherten.
„Lasst ihn erzählen!“, sagte Frau Sommer. Sie blickte die Zwillinge böse an.

Und Collin erzählte. Wie Moritz den blutenden Igel gefunden hatte, wie sie überlegt hatten, wie man ihn am besten retten könnte und …

„… dann habe ich die Lederjacke genommen. Die Stacheln kommen da ja nicht durch und wir sind zum Tierarzt …“

„Du hast was?“ Toms Augäpfel quollen aus ihren Höhlen. „Etwa meine Lederjacke?“ 
Collin zuckte mit den Schultern. „Ja. Der konnte da ja nicht so liegen bleiben. Für verletzte Tiere sollte man schon mal ein Opfer bringen …“

Das nachfolgende Gerangel und die Verfolgungsjagd durchs Haus dauerte eine Weile. Dass sein Bruder so wenig tierlieb war … unverständlich!

Morgen gibt es Journaling Ideen

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